Aus dem Buxtehuder Tageblatt vom 22.08.2017
von Björn Vasel
BUXTEHUDE. Der Rosa Luxemburg Club Niederelbe lädt aus Anlass des 115. Geburtstags des kommunistischen Widerstandskämpfers Rudolf Welskopf (1902 – 1979) für Freitag, 25. August, zu einer Gedenkfeier in das Kulturforum am Hafen und am Stavenort ein.
Die Künstler Kristin Kehr und Tristan Jorde, bekannt unter anderem durch die musikalisch-theatrale Polit-Revue „Rosen auf den Weg gestreut – Tucholsky trifft Eisler“ werden Texte über den damaligen Widerstand in Buxtehude lesen. Ausgewählt haben sie Passagen unter anderem aus den Akten des Buxtehuder Hochverratsprozess von 1935 und aus dem Roman „Jutta und Jan“ sowie Auszüge aus der öffentlichen Diskussion um das Gedenken an den kommunistischen Widerstandskämpfer und seine Gruppe vor mehr als zehn Jahren. Beginn der Lesung ist um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Bereits um 18 Uhr findet an der Erinnerungstafel für Welskopf am Stavenort das öffentliche Gedenken statt. Sein Sohn, Dr. Rudolf Welskopf, wird am Freitag teilnehmen, so Michael Quelle.
Nach der Machtergreifung von 1933 waren es die Kommunisten, die Widerstand leisteten. „Nach der Zerschlagung der Buxtehuder KPD-Gruppe sind irgendwelche größeren Widerstands- oder Verweigerungshandlungen im Landkreis Stade nicht überliefert“, sagt der frühere Stader Stadtarchivars Jürgen Bohmbach.
Rückblick: Der harte Kern der KPD arbeitet im Untergrund weiter, druckt und verteilt heimlich Flugblätter und eine Zeitung. Es dauert erstaunlich lange, bis die Buxtehuder Zelle auffliegt, im August 1934 gerät einer der Kuriere in die Fänge der Gestapo. Unter der Folter liefert er seine Mitstreiter ans Messer, die verhaftet und wegen Hochverrats angeklagt werden. „Das Gericht hat nicht zu sühnen, sondern auch auszumerzen“, plädiert der Staatsanwalt beim „Buxtehuder Hochverratsprozess“ im März 1935 in Stade. Auch der damals 32-jährige Welskopf steht vor den Richtern und wird von dem in Stade tagenden Berliner Kammergericht als Rädelsführer zu fünf Jahren im Zuchthaus verurteilt.
Welskopf stammt aus einer Landarbeiterfamilie in Borstel, der Zimmermann war bereits während seiner Wanderjahre als aktiver Gewerkschafter und Kämpfer für Gerechtigkeit aufgefallen. Zurück in Buxtehude, tritt er der SPD bei – und schlägt bei dem sozialdemokratischen Reichsbanner die Pauke. Im Jahr 1935 heiratet er das Hausmädchen Alma. Sie bekommen zwei Kinder, Welskopf baut in der Ludwigstraße ein Haus. Als er seine Arbeit in der Wirtschaftskrise verliert, kann die Familie das Haus nicht mehr halten. 1932 müssen sie ausziehen – und landen am Stavenort, das Armenviertel. All diese Jahre bleibt Welskopf ein streitbarer Geist: Aus Protest gegen den aus seiner Sicht zu rücksichtsvollen Kurs verlässt 1930 die SPD aus und tritt der KPD bei. Nach der Machtergreifung setzen er und seine Genossen sich an der Unterelbe für einen Generalstreik ein – und demonstrieren tatsächlich mit einigen Arbeitern.
Schon mit den ersten Verhaftungswellen im März 1933 landen Welskopf und einige Mitstreiter im Gefängnis, kommen aber nach zwei Monaten frei und arbeiten im Untergrund. Die Gestapo überwacht sie, kann ihnen aber nichts nachweisen. Bei der Volksabstimmung am 19. August 1934 stimmen 800 Buxtehuder mit „Nein“ – im Jahr zuvor waren es nur 400 gewesen. Tags darauf gibt es eine große Razzia. Der für Buxtehude zuständige Lieferant der kommunistischen Zeitung wird verhaftet, verhört und misshandelt. Er packt aus. Die KPD-Gruppe fliegt auf. 25 Männer und eine Frau, die erst 18-jährige Auguste Schammer aus Horneburg, werden festgenommen.
Das Urteil: Fünf Jahre Zuchthaus. 1936 gelingt ihm kurz die die Flucht. Doch er wird verraten und kann sich nicht mehr den Internationalen Brigaden im Kampf gegen Franco anschließen. Nach der Haft im Zuchthaus in Celle landet Welskopf im Jahr 1940 im KZ Sachsenhausen. Mit der Hilfe von Liselotte Henrich, einer mutigen Frau, die Häftlingen heimlich Lebensmittel zukommen lässt und Briefe schmuggelt, gelingt Welskopf am 27. Juli 1944 die Flucht. Sie versteckt ihn bis zum Kriegsende. 1946 heiratet Welskopf seine Lebensretterin.
Liselotte Welskopf-Henrich verarbeitete ihre Geschichte in dem 1954 erschienen Roman „Jan und Jutta“. Sie war eine bekannte Schriftstellerin in der DDR, bekannt auch im Westen für ihre wissenschaftlich fundierten, fantasievollen Indianerbücher („Die Söhne der Großen Bärin“). Im Jahr 1947 siedelte er aus politischer Überzeugung nach Ost-Berlin über, wo er als Abteilungsleiter bei der Bahn arbeitete. Am 17. Januar 1979 starb der von der Staatssicherheit überwachte Rudolf Welskopf in Ost-Berlin.