Hallo, ich bin Marcel von den Falken Niederelbe,
wir sind ein unabhängiger linker Kinder- und Jugendverband.
Als wir Falken eingeladen wurden hier auch ein paar Worte zu sagen haben wir natürlich freudig zugesagt. Auch das Thema „Widerstand damals und heute“ erschien uns sehr passend und wichtig, schließlich war Rudolph Welskopf Leben vor allem auch ein Leben im Widerstand. Und auch heute drängt sich die Frage nach Widerstand angesichts der aktuellen politischen Lage geradezu auf – nicht nur für uns als Sozialistinnen, sondern für jeden demokratisch denkenden und handelnden Menschen.
Doch einfach war es nicht etwas dazu zu schreiben, wie uns schnell auffiel. Über „damals und heute“ zu sprechen heißt auch beides mit einander in Beziehung zu setzen. Und das vernünftig zu tun erwies sich als ganz schön schwierig. Denn die Situation damals ist natürlich ganz anders als heutzutage und so sind es auch die Perspektiven des Widerstands.
Auch aus aktuellen Anlass, werden wir uns deshalb vor allem auf die Entwicklungen der letzten Jahre beziehen. Vorab:
Wir befinden uns mitnichten in einem zweiten 1933, die AfD ist nicht die NSDAP und auch der grassierende Rassismus, ist nicht dasselbe wie der antisemitische Vernichtungswahn damals. Doch Widerstand ist im Angesicht des „Rechtsrucks“ der Gesellschaften trotzdem bitter nötig.
Zum Glück sind wir noch lange nicht in einer so dramatischen Situation wie Welskopf und seine Genoss*innen Anfang der 30er Jahre. Zumindest nicht was den Widerstand gegen völkische und Faschisti*innen angeht.
Denn Widerstand meinte für ihn und meint auch für uns als Sozialistinnen mitnichten nur einen Abwehrkampf gegen diese autoritäre Revolte, sondern es war auch stets Widerstand gegen das Elend der kapitalistischen Verhältnisse. Und in diese scheinen wir uns gerade mit dem technologischen Fortschritt der letzten Jahrzehnte immer weiter verstrickt zu haben. Zwar gibt es viel Kritik und auch viel praktischen Widerstand, doch wirksam wird dieser selten, v. a. auch aufgrund der autoritären Umformung der Gesellschaften, wie wir sie etwa in Bezug auf G20 gut beobachten konnten.
Besserung ist erstmal nicht in Sicht. Denn wie wir schon aus der Weimarer Republik gelernt haben versuchen viele Menschen, welche die Krisenhaftigtkeit unserer Gesellschaftsordnung am eigenen Leib erfahren haben diese leider eher zum negativen hin aufzuheben.
So können auch heute wieder die völkischen, die autoritären abertausende rekrutieren und an sich binden, die ihrerseits häufig den Schlachtruf Widerstand! Im Munde führen. Der AfD, Pegida und Co. Geht es dabei nicht um eine freie und gleiche Gesellschaft, nicht um universale Werte für alle, sondern um das Partikulare, das Identitäre, das nationale Privileg.
Sie schauen auf das uneingelöste Glücksversprechen der bürgerlichen Gesellschaft, welches allen ein gutes Leben verspricht. Die Rechten wollen es jedoch nicht einfordern, sie weisen es grundsätzlich zurück. Dabei müsste ein nachhaltiger Widerstand dieses Versprechen doch aufnehmen, thematisieren und auf Einlösung pochen.
Auf der anderen Seite ist es oft auch nicht besser um Nachhaltigkeit bestellt. Viele Formen des Widerstands heute leben von breiten Bündnissen, z. B. Bei Aktionen des zivilen Ungehorsam, Blockaden, Großdemos. Das ermöglicht viel, oft beschleicht uns jedoch der Eindruck, dass viele Menschen vor allem empört sind ob des Angriffs der Rechten auf ihre Identität, auf ihr bürgerliches Selbstverständnis als „die Guten“.
Natürlich ist es richtig und wichtig sich den Attacken dieser Menschenfeinde in den Weg zu stellen, doch tritt dabei manchmal in den Hintergrund, dass es nicht die Neonazis und Faschist*innen sind, ob in den Reihen der AfD oder anderswo, welche momentan das größte Leid verursachen. Ihr größter Erfolg ist vielmehr, dass Sozialdemokratie, Liberale und Konservative schon jetzt wesentliche Punkte der rechten Agenda umsetzen (wie sie es in Krisenzeiten schon häufig getan haben). Dabei sprechen wir in erster Linie von der Festung Europa, der feuchte Traum der nationalen und völkischen, umgesetzt vom Friedensnobelpreisträger EU. Die Außengrenzen werden durch Abschottung zu Massengräbern, während Widerstand im inneren durch autoritäre Umformung begegnet wird. G20 und die neuen Polizeigesetze gaben uns einen lebhaften Eindruck des Kommenden.
Das kommt jetzt natürlich nicht aus dem nichts, diese Tendenzen waren immer in unserer Gesellschaft vorhanden. So profitieren die gar nicht so neuen rechten etwa von problematischen Strukturen in den Sicherheitsbehörden. Von Polizist*innen und Soldaten getragene Terrorzellen erinnern ungut an die protofaschistischen Freikorpsverbände der Weimarer Republik, welche schon damals Morde an linken als Krisenmaßnahmen durchführten, ganz ähnlich etwa den Plänen der Gruppe „Nordkreuz“.
Effektiver, nachhaltiger Widerstand muss also stets das Ganze in den Blick nehmen, wenn wir langfristig erfolg haben wollen. Es kommt für uns dabei gar nicht so sehr auf die Aktionsformen an, wir wollen uns damit auch gar nicht gegen breite zivilgesellschaftliche Bündnisse aussprechen, sonder vielmehr dazu ermutigen wieder grundlegender zu diskutieren, wogegen und wofür wir überhaupt kämpfen und die produktive Auseinandersetzung auch untereinander nicht zu scheuen.
Soviel jetzt erstmal zu Widerstand allgemein. Bevor ich Ende möchte ich jedoch noch auf einen sehr akuten Fall verweisen, in dem Widerstand gefragt ist. Ich meine die Erschießung des Geflüchteten Jugendlichen in Bützfleth. Auf der Seite des Flüchtlingsrats Hamburg wurde gestern das Statement einer ehrenamtlichen Betreuerin in Rücksprache mit den Mitbewohnern des Getöteten veröffentlicht. In diesem erheben sie schwere Vorwürfe gegen Polizei und Behörden. Außerdem wurde eine Demonstration angekündigt. Der Termin steht noch nicht fest, sie bitten jedoch jetzt schon um Unterstützung und wir teilen ihre Einschätzung, dass es diesen öffentlichen Druck unbedingt braucht um zu gewährleisten, dass die laufenden Ermittlungen und das kommende Verfahren gegen den oder die Todesschützen nicht zur Farce gerät. Deshalb hier auch von uns der Aufruf, das Geschehen aufmerksam zu verfolgen.
Ansonsten, vielen Dank fürs zuhören,
bleibt wachsam, bleibt widerständig!
Danke sehr.