Syrienveranstaltung

Syrienveranstaltung darf nicht in der HPS stattfinden

Lutz Jäkel, 26. Januar auf facebook

Wenn man aus Sorge vor Protesten der AfD eine Kultur-Veranstaltung ablehnt. So geschehen gerade in Buxtehude, wo ich mit meiner Syrien Live-Reportage auftreten soll.

Der Hintergrund: Eine langjährige Facebook-Freundin bemüht sich als Organisatorin seit Monaten um Termine in Buxtehude und Stade, suchte dafür Räumlichkeiten. In der Aula einer Schule finden regelmäßig Veranstaltungen statt, die Größe mit rund 500 Plätzen schien der Freundin ideal, sie stellte einen Antrag. Man war seitens der Stadt sogleich skeptisch, meinte, wenn ein Vortrag angeboten wäre, in dessen Titel „Syrien“ und „Krieg“ vorkommt, könne das schwierig werden. Ihr wurde mitgeteilt, dass es durch den stetigen „Zuwachs von Neuankömmlingen und Asylsuchenden und den damit verbundenen Aktivitäten“ (was immer mit Aktivitäten gemeint ist) einen Ratsbeschluss aus dem Jahr 2016 gibt, der die Nutzung von Veranstaltungsräumen in Schulen für politische und/oder religiöse Veranstaltungen untersagt. Der Hinweis, dass es sich nicht um eine politische oder religiöse Veranstaltung handele, sondern um einen Vortrag, der sich auch zum Ziel gesetzt hat, gesellschaftliche Brücken zu bauen und die Völkerverständigung zu fördern, wurde nicht angenommen.

Das eigentlich Beunruhigende – man könnte auch sagen: Skandalöse – ist, dass man zu verstehen gab, sich vor der AfD schützen zu müssen. Würden wir einen Vortrag über Finnland anbieten, würden wir sofort die Räumlichkeiten bekommen. Aber Syrien? Nein, danke.

Auch die Bürgermeisterin wurde in Kenntnis gesetzt. Ich hatte der Freundin gesagt, sie könne ihr mit einem freundlichen Gruß ausrichten, sie möge gerne AfDler einladen, es würde mich freuen, auch Rechte bei meinem Vortrag begrüßen zu können. Gerade sie sollten sich diese Live-Reportage vielleicht mal ansehen.

Doch unser Antrag wurde nun abgelehnt. Wir können natürlich, so hieß es, andere Räumlichkeiten in der Stadt suchen und nutzen, aber eben nicht die Aula einer Schule.

Tja. Sehr bedenklich wie ich finde. Denn es ist ein Einknicken vor der AfD oder anderen Rechten. Man könnte ja sagen: Hätten wir die Veranstaltung geplant, Plakate aufgehängt und daraufhin hätte es Proteste, Widerstand oder Störungen gegeben, dann hätten wir vielleicht ein Problem gehabt. Aber so wird nicht mal der Versuch unternommen, sondern in Sorge vor möglichen Protesten die Veranstaltung gar nicht erst angeboten.

Vergangene Woche war ich mit dem Vortrag in Oranienburg. Vom Veranstalter hörte ich nun, dass einige Plakate zerstört oder bekritzelt wurden, vor allem das Arabische (der Titel „Syrien. Ein Land ohne Krieg“) wurde durchgestrichen.

Dann sehe ich, dass der STERN von dieser Woche titelt: „Ihr Kampf. Wie die Rechten unser Land verändern – in Schulen, Vereinen, Politik.“

Und Heribert Prantl schreibt heute in der ➜ Süddeutsche Zeitung […] angesichts des Jahrestages der Befreiung von Ausschwitz:

„Einrichtungen, die gegen Rechtsaußen arbeiten, müssen sich auf einmal vor Rechtsaußen rechtfertigen; das ist beim großen Goethe-Institut so und beim kleinen Demokratieverein. Leute, die sich um Opfer rechtsextremer Gewalt kümmern, werden bedroht. CDU-Landesregierungen im Osten fangen an, die Förderung für solche Projekte einzustellen. Sind dies Vorleistungen für künftige Koalitionen mit der AfD? Die Programm-Macher in den Institutionen der Zivilgesellschaft überlegen sich immer öfter, ob es nicht besser ist, bestimmte Veranstaltungen abzusagen oder gar nicht anzubieten. Der „Aufstand der Anständigen“ ist das nicht; es ist ihr Rückzug.“

Die Absage der Live-Reportage in einer Schule ist ein deutliches Zeichen dieser Entwicklung. „Was tun?“, fragt Prantl in seinem Leitartikel weiter. Und er gibt die Antwort: „Es muss dort [im Osten und Österreich] Vergangenheitsaufarbeitung neu beginnen; und im Westen der Bundesrepublik darf sie nicht nachlassen. Kein Gedenken ist felsenfest, das Sichere nicht sicher. Demokratie und Aufklärung, Rechtsstaatlichkeit, Achtung von Minderheiten – das alles muss man lernen, immer und immer wieder.“

Wir werden uns nicht zurückziehen. Wir werden trotzdem nach Buxtehude und Stade kommen. Irgendwie 🙂

➜ Weiterlesen auf facebook […]

Friedenssehnsucht zu politisch?

Der frühere Kulturausschussvorsitzende Joachim Buttler äußert sein Unverständnis über die Entscheidung in einem offenen Brief an die Bürgermeisterin – zu lesen auf: tageblatt.de

Wenn Sie heute dieser Veranstaltung die Halepagen-Aula verweigern mit dem Argument, schulische Räume stünden laut Ratsbeschluss politischen Veranstaltungen nicht zur Verfügung, dann ist das in zweierlei Hinsicht nicht nur ungeschickt, sondern auch bedenklich:

1. Mit welchem Recht maßen Sie sich an, diese Veranstaltung als politisch zu zensieren? Haben sie das entsprechende Buch (siehe oben) dazu überhaupt zur Kenntnis genommen? „Politisch“ ist hier doch nur die Sehnsucht, der Krieg möge endlich enden, damit die Kunst- und Architekturschätze, wenn möglich, wieder aufgebaut werden können. Wollen Sie diese Friedenssehnsucht in Buxtehude verbieten?

2. Die Halepagen-Aula ist sowohl Schulaula als auch Theatersaal der Stadt. Somit unterliegt sie nicht nur den schulischen sondern auch den kulturellen Belangen der Stadt. Als die Gelder für den Ausbau der Aula zur Theaterspielstädte im Rat bewilligt wurden, war ich selbst Ratsmitglied und Kulturausschuss-Vorsitzender und habe mit Freude den Um- und Ausbau der Aula und deren Finanzierung mit vielen Ratsmitgliedern gemeinsam vorangebracht. Unsere gemeinsame Intention damals: Mit einem anspruchsvollen Theater-, Konzert- und Multimediaprogramm die kulturelle Vielfalt der Stadt bereichern.

Wollen Sie diese Intention wieder zurückfahren und mit Ihrem enggefassten Begriff des „Politischen“ auch die politischen Kabarett-Programme des Buxtehuder Kleinkunst-Igels in der Halepagen-Aula untersagen?

Vielleicht überlegen Sie es sich noch einmal

Herzlichst, Ihr Dr. Joachim Buttler